Logopädie bei Erwachsenen
In Folge finden Sie die am häufigsten vorkommenden logopädischen Behandlungsindikationen bei Erwachsenen.
Neurologische Sprach- und Sprechstörungen
- Dysphasie / Aphasie: Hierbei kommt es durch Beeinträchtigungen in bestimmten Teilen des Gehirns zu Auffälligkeiten in der Sprache, z.B. dem Aussprechen von Wörtern oder einzelnen Lauten, zu Problemen in der Wortfindung, aber möglicherweise auch im Sprachverständnis. Auch Schwierigkeiten beim Lesen, Schreiben und Rechnen können vorkommen. Dysphasie/Aphasie treten in Zusammenhang mit neurologischen Ursachen (z.B. als Folge von Schädel-Hirn-Trauma, Schlaganfall, etc.) auf.
- Alexie / Dyslexie: Unter Alexie/Dyslexie ist eine Lesestörung infolge neurologischen Geschehens zu verstehen, die in den meisten Fällen im Rahmen einer Aphasie auftreten kann. Mögliche Ursachen können Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma, Hypoxie, Tumore des zentralen Nervensystems oder degenerative neurologische Erkrankungen sein.
- Agraphie / Dysgraphie: Darunter versteht man eine Schreibstörung infolge eines neurologischen Geschehens, die in den meisten Fällen im Rahmen einer Aphasie auftreten kann. Beim Schreiben kann es zu Auslassungen, Ersetzungen, Ergänzungen oder Umstellungen einzelner Laute / Buchstaben oder Wörter kommen. Manchen Personen mit Agraphie/Dysgraphie ist es nur möglich, einzelne Laute oder aber auch nur ganze Wörter zu schreiben, während andere Personen evtl. nur noch persönliche Daten zu sich selbst notieren können.
- Kognitive Dysphasie: Kognitive Dysphasien (Heidler, 2006) sind Sprachstörungen, die infolge beeinträchtigter Aufmerksamkeits-, Gedächtnis-, Wahrnehmungs- und Exekutivfunktionen auftreten. Diese Form der Sprachstörung ist von sog. Aphasien abzugrenzen, da es sich nicht um eine primäre Schädigung des Sprachzentrums handelt.
- Sprachabbau bei Demenz (Steiner, 2008): Im Rahmen von progredienten Demenzerkrankungen können Probleme im Sprachverständnis, in der Sprachproduktion sowie beim Lesen und Schreiben entstehen. Informationen können nur mehr erschwert / nicht mehr wahrgenommen, gespeichert oder wiedergegeben werden, wodurch die Dialogfähigkeit sowie allgemeine Kommunikationskompetenz schwer betroffen sein kann. Logopädische Therapien sollten in den ersten Jahren nach Diagnosestellung erfolgen, da nur zu Beginn an bspw. einer Alzheimer- Erkrankung direkt Einfluss genommen werden kann.
- Primär progressive Aphasie: Bei der "PPA" handelt es sich um eine Sonderform der Demenz, bei der sich zunächst ein isolierter, gradueller Sprachverlust bemerkbar macht. Zumeist beginnt diese Erkrankung mit Wortfindungsstörungen unklarer Genese. Im weiteren Verlauf zeigen sich zunehmende Defizite der expressiven und rezeptiven sprachlichen Leistungen sowie zunehmende Apathie, Enthemmung, Kurzzeitgedächtnisstörungen, visuell-räumliche Beeinträchtigungen, Störungen des visuellen Erkennens sowie sensomotorische Einbußen.
- Neurogenes Stottern: Neurogenes Stottern wird durch neurologische Geschehen verursacht und kann sich im Erscheinungsbild unterschiedlich präsentieren. Die Symptome zeigen sich in beschleunigte Laut- oder Silbenwiederholungen mit unkoordinierte Zungen- und Lippenbewegungen während des Artikulierens (z.B. bei Mb.Parkinson), unflüssige Sprechweise, Lautentstellungen, Laut- und Silbenverdoppelungen, Probleme bei der Sprechinitiierung.
- Dysarthrie / Dysarthropneumophonie: Hier kommt es durch Störungen oder Schädigungen in bestimmten Teilen des Gehirns zu Beeinträchtigungen im Tonus, der Kraft, der Bewegungsausführung und -koordination im orofazialen Bereich (Lippen, Zunge, Kiefer, Gaumensegel, Rachen-, Kehlkopfmuskulatur) sowie der Atmung und der Stimme.
- Dyspraxie / Sprechapraxie: Bei der Apraxie/Dyspraxie handelt es sich um eine Aussprachestörung, d.h. die Bildung einzelner Bewegungen der Zunge, der Lippen etc. ist mehr oder weniger stark betroffen. Daher ist auch die Aneinanderreihung dieser Bewegungen, die wir für die Bildung von Worten brauchen, beeinträchtigt. Die Ausprägung reicht von falscher oder fehlender Bildung einzelner Laute bis hin zum völligen Unvermögen zu sprechen. Häufig ist das Sprechen sehr anstrengend, der/die Betroffene sucht nach den Lauten- bzw. Sprechbewegungen. Das Sprachverständnis ist meist nicht betroffen.
Störungen im cranio-oro-facialen Bereich
- Orofaciale Dysfunktion: Bei muskulären und sensorischen Auffälligkeiten im Bereich der Muskulatur des Gesichtes und des Mundes und wenn die Bewegungsabläufe beim Sprechen, Schlucken, Atmen und in Ruhe von der Norm abweichen, spricht man von einer orofacialen Dysfunktion oder einer myofunktionellen Störung. Diese tritt u.a. im Zusammenhang mit Störungen der Nasenatmung, der Zahn-und/oder Kieferstellung, der Gesamtkörperhaltung und der Aussprache auf.
- Facialisparese: Bei einer Facialisparese kommt es durch eine Läsion/Schädigung des VII. Hirnnerven (Nervusfacialis) zu einer Gesichtslähmung. Diese kann ein- oder beidseitig auftreten. Die entsprechende Muskulatur kann nicht mehr aktiviert werden. Eine Facialisparese kann im Rahmen eines neurologischen Geschehens (z.B. Schlaganfall) , in Folge von Verletzungen oder Operationen oder ohne erkennbarer Ursache (= idiopathische Facialisparese) auftreten.
- Dysglossie: Eine Dysglossie bezeichnet eine Sprechstörung aufgrund einer Fehlbildung oder Verletzung im Bereich der Sprechwerkzeuge (Lippen, Zunge, Kiefer, Zähne, Gaumensegel) bzw. der Nerven, die die entsprechenden Muskeln versorgen. Die Ursachen können in Operationen im Mund-/Nasen-/Rachenbereich (z.B. bei Tumoren), Lähmung der entsprechenden Nerven oder Zahn-/Kieferfehlstellungen liegen.
Störungen der Nahrungsaufnahme
- Neurogene / organische / psychogene Dysphagie: Dysphagie ist der lateinische Begriff für Schluckstörung. Diese kann im Zusammenhang mit neurologischen Erkrankungen auftreten (z.B. Schädel-Hirn-Trauma, Schlaganfall, Parkinson, ALS) oder als Folge von Operationen im Kopf-Hals-Bereich (Wirbelsäulen-/Bandscheibenoperationen der HWS, Tumoren im Kiefer, Mundraum, an der Zunge und/oder im Rachen), sowie psychischer Natur sein. Aufgrund des gestörten Schluckaktes kann die Nahrungsaufnahme teilweise oder vollständig beeinträchtigt sein.
- Dysphagie bei Tracheostoma: Wenn Personen mit Tracheostoma versorgt sind, können unabhängig von der Grunderkrankung Schluckstörungen auftreten. Aufgrund der veränderten Atemstromlenkung und v.a. der veränderten Druckverhältnisse in Luftröhre und Rachenraum, der Umgehung des Kehlkopfs bei der Atmung können Speise- und Getränkebestandteile, sowie Speichel in die Luftwege gelangen (aspiriert werden). Dies kann zu schwerwiegenden Problemen bis hin zu Lungenentzündungen führen. In Zusammenhang mit bestehendem Tracheostoma auftretenden Veränderung der Sensibilität werden diese Teilchen nicht erkannt und abgehustet.
Atmung
- Atemstörung / Dyspnoe: Durch Störungen oder Läsionen in bestimmten Teilen des Gehirns oder peripherer Nerven kommt es zu Auffälligkeiten der Atmung und im Zusammenspiel von Atem und Stimme. Die Dyspnoe tritt in Zusammenhang mit neurologischen Erkrankungen (z.B. Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma, Wirbelsäulenquerschnitt) oder Lungenkrankheiten wie Asthma oder COPD, etc. auf. Die Atmung, d.h. z.B. die Kraft oder das Zusammenspiel der einzelnen Atemmuskeln ist betroffen. Daher ist die Atmung flach, auch das Husten und damit der Transport von Schleim ist erschwert.
- Trachealkanüle: Im Rahmen der Entwöhnung einer Trachealkanüle ist neben der Umstellung der Atmung mit einhergehendem erhöhten Atemwiderstand auch eine bestehende Schluckstörung zu behandeln. PatientInnen, die dauerhaft mit einer Trachealkanüle versorgt werden müssen, brauchen auch Unterstützung, um nach Möglichkeit mit der Kanüle über eine gewisse Stimmfunktion zu verfügen.
Stimme
- funktionelle / organische / psychogene Dysphonie: In Zusammenhang mit Stimmstörungen können auch Beeinträchtigungen in den Bereichen Atmung, Haltung, Körperspannung, Kehlkopfmuskulatur und Artikulation stehen. Es treten Beschwerden auf wie Heiserkeit, erhöhte Sprechanstrengung, Fremdkörpergefühl im Hals, Räusperzwang, Hustenreiz auf.
- Stimmrehabilitation nach Laryngektomie: Nach einer Kehlkopfentfernung aufgrund eines ausgedehnten Tumorbefalls ist eine Aphonie (kompletter Stimmverlust) die Folge. Zu den Hauptrisikofaktoren (Pantel 2012, Hashibe et al. 2009) zählen das Zigarettenrauchen und der regelmäßige Genuss von Alkohol, Infektion mit manchen Subtypen des Humanen Papillomavirus- HPV (Blomberg 2011), Mangelernährung (Lorenz 2012), Gastro-ösophageale Refluxerkrankungen = GERD (Francis et al. 2001), genetische Faktoren (Lacko et al. 2014), Inhalation von anderen Giftstoffen (Langevin 2013). Zu den Stimmersatzmethoden zählen die Ructusstimme, Stimmprothesenstimme, und/oder die elektronische Sprechhilfe (Elektrolarynx).
Hören
- Hörstörung bei Hörgerät/CI: Generell unterscheidet man leichte (< 30 dB), mittlere (30-60 dB) und hochgradige Hörstörungen (> 60 dB). Ein Kind wird bereits dann als hörgestört bezeichnet, wenn es im Hauptsprachbereich (zwischen 2500–4000 Hz) einen Hörverlust über 20 dB aufweist. Taubheit (starke Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit) kann angeboren oder erworben sein. Je nach Schweregrad der Hörstörung ist die Versorgung mit Hörgeräten bzw. einem Cochlea-Implantat (CI) sinnvoll. Ein Cochlea-Implantat ist eine Hörprothese für hochgradig schwerhörige und gehörlose Kinder oder Erwachsene, denen herkömmliche Hörgeräte wenig oder gar keinen Nutzen mehr bringen.
Redefluss
- Stottern und Poltern: Beim Stottern kommt es zu Unterbrechungen des Sprechablaufs, des Sprechrhythmus, der Sprechbewegungen, der Sprechatmung, der Aussprache und der Stimme. Stottern zeigt sich in folgenden Merkmalen: Wiederholung von Lauten, Silben und einsilbigen Wörtern, Lautdehnungen; hörbare oder stumme Blockierungen vor oder in einem Wort. Auch beim Poltern kommt es zu Unterbrechungen des Redeflusses durch Auslassungen, Ersetzungen oder Verschmelzungen von Lauten bzw. Silben und Lautveränderungen. Manche Polternde sprechen Wörter oder Sätze nicht zu Ende und haben manchmal Schwierigkeiten, grammatikalisch richtige Sätze zu bilden. Die Äußerungen des Betroffenen werden dadurch häufig unverständlich.